Von Paulus-Lektorin Hannelore Beuster
Auch wenn Sie regelmäßig den Gottesdienst besuchen, wissen Sie vielleicht nicht genau, was die einzelnen Teile des Gottesdienstes für eine Bedeutung haben. Deshalb möchte ich Ihnen hier gern den Ablauf eines evangelischen Gottesdienstes am Beispiel unserer Paulusgemeinde erklären:
Jeder Gottesdienst läuft nach einem bestimmten Schema, einem Ritual ab. Für den Gottesdienst heißt das „Liturgie“ (griechisch: öffentliche Dienstleistung) und meint die Ordnung oder Feier des Gottesdienstes.
(1) Vom Glockenläuten zum Eingangslied
Der Gottesdienst beginnt mit dem Glockenläuten. Es zeigt an, dass die Gemeinde sich jetzt versammelt, denn jeder Gottesdienst ist öffentlich. Am Eingang der Kirche werden Sie begrüßt und bekommen ein Gesangbuch oder einen Liedzettel. Nach dem Betreten des Gottesdienstraumes können Sie noch einen Moment an Ihrem Platz stehend ein stilles Gebet sprechen und sich so auf den Gottesdienst einstimmen. Wenn die Glocken verklungen sind, setzt die Orgel ein, und Sie können schon einmal die an der Tafel angegebene erste Liednummer aufschlagen. Meistens folgt auf das Orgelvorspiel das Eingangslied.
(2) Von der Begrüßung bis zum Gotteslob
Nach dem Eingangslied begrüßt der oder die Gottesdienstleitende, der Liturg oder die Liturgin, die Gemeinde mit dem Wochenspruch. Darauf folgt das an die Taufe erinnernde trinitarische Votum (lat. votum: Gelübde, Gebet) das bekundet, in wessen Auftrag der Gottesdienst gefeiert wird: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, das die Gemeinde mit ihrem „Amen“ bekräftigt. Der Liturg fährt mit einer aus Psalmmotiven zusammengesetzten Formel fort: „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn“, und die Gemeinde ergänzt: „der Himmel und Erde gemacht hat“. Danach beten Liturg und Gemeinde im Wechsel den Psalm der Woche. Er steht meistens im Gesangbuch – da müssen Sie etwas blättern – unter den Nummern, die mit 700 beginnen. Das Psalmgebet schließt mit dem gesungenen Gloria Patri (Gotteslob): „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
(3) Vom Kyrie zum Gloria
Nach dem Gotteslob betet der Liturg oder die Liturgin das Kyriegebet. Es fasst in Worte, was Menschen von Gott und den Mitmenschen trennt. Darauf folgt das im Wechsel zwischen Kantor oder Kantorin und der Gemeinde gesungene „Kyrie eleison“, „Herr erbarme dich“, „Christe eleison“, „Christe erbarme dich“, „Kyrie eleison“, „Herr erbarme dich“. Sie finden es im Gesangbuch unter der Nummer 178,2. Manchmal oder zu besonderen Festtagen gibt es auch einen anderen Kyrieruf. Aber das ist dann an der Anschlagtafel angegeben. Nachdem die Gemeinde Gott um sein Erbarmen angerufen hat, spricht der Liturg ihr in der Gnadenzusage mit einem biblischen Wort die vergebende Gnade Gottes zu. Dieser Zuspruch löst einen Lobgesang (Gloria) aus. Der Kantor beginnt: „Ehre sei Gott in der Höhe“, und die Gemeinde fällt ein: „und auf Erden Fried“, den Menschen ein Wohlgefallen“. Darauf folgt die erste Strophe des Liedes 179 im Gesangbuch: „Allein Gott in der Höh sei Ehr“. In der Passionszeit entfällt das Gloria, und es wird zumeist die dritte Strophe des Liedes 179 gesungen.
(4) Vom Tagesgebet zum Glaubensbekenntnis
Nach dem Gloria betet der Liturg oder die Liturgin das Tagesgebet, das die Gemeinde mit dem gesungenen „Amen“ bekräftigt. Jetzt folgt die erste Lesung. Der Lektor oder die Lektorin liest entweder den für diesen Sonntag vorgegeben Text aus dem Alten Testament oder aus den apostolischen Briefen (Episteln). Auf die Epistellesung stimmt die Gemeinde dreimal das „Halleluja“ an, das in der Passionszeit entfällt. Die Gemeinde singt nun das „Wochenlied“, das thematisch zu den Lesungen passt. Danach liest die Lektorin das Evangelium, das jedem Sonn- oder Festtag sein Thema gibt. Dazu steht die Gemeinde auf. Nach der Ankündigung der Bibelstelle singt die Gemeinde: „Ehr sei dir, o Herre!“ und nach der Lesung:“Lob sei dir, o Christe!“ Anschließend bekennt die Gemeinde ihren christlichen Glauben, meistens mit dem apostolischen Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an Gott, den Vater …“, im Gesangbuch unter der Nummer 804. Manchmal wird stattdessen auch ein Glaubenslied gesungen, das an der Anzeigetafel angegeben ist.
(5) Von der Predigt zur Kollekte
Nach dem Glaubensbekenntnis setzt sich die Gemeinde wieder und singt das nächste Lied. Nun folgt die Predigt, das Herzstück des evangelischen Gottesdienstes. Hier wird zumeist ein für den jeweiligen Sonntag vorgeschlagener biblischer Text ausgelegt. Er stammt aus einer Perikopenreihe, die alle sechs Jahre wechselt. Die Predigt steht nicht isoliert, sondern ist als Teil der Liturgie in das Ganze des Gottesdienstes eingebunden. Nach der Predigt singt die Gemeinde wieder ein Lied. Danach wird in den Abkündigungen mitgeteilt, was sich in der Gemeinde ereignet hat, zum Beispiel Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen, wofür die Kollekte gesammelt wird, welche Gottesdienste und Veranstaltungen in der nächsten Woche stattfinden. Die Kollekte, die beim nächsten Lied eingesammelt wird, ist als symbolisches Handeln der Gemeinde zu verstehen. Neben das Bekenntnis des Mundes im Glaubensbekenntnis tritt nun das Bekenntnis der Tat: Dasein für andere.