Gottesdienst als Gemeinschaftsort und Sehnsuchtsraum in der Eritreisch-Orthodoxen Tradition


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Interview mit Priester Hzkiel im Gespräch mit Dietrich Werner

Priester Hzkiel, seit wann sind Sie als Priester für die eritreische Gemeinde in Berlin tätig und was hat Sie motiviert, ehrenamtlicher Priester einer Diaspora-Gemeinde zu werden?

Ich bin seit 13. September 2015 für die eritreische Gemeinde in Berlin tätig. Meine Beweggründe für die ehrenamtliche Tätigkeit sind zum einen meine Pflicht als Gott dienender Priester und zum anderen die Situation, unsere Community, vor allem der jungen Menschen, die viele Narben und Leid aus ihrer Flucht-geschichte mit sich tragen. Auch ich gehöre dazu. Außerdem sind diese jungen Menschen hier ohne Eltern, Geschwister und Verwandte in Deutschland und brauchen deshalb mehr Unterstützung und Beistand.

Was bedeutet der Gottesdienst für die eritreischen Menschen in diesem Land?  Warum gehen immer wieder so viele junge Menschen zum Gottesdienst?

Die Kirche hat für junge Menschen im Exil eine große Bedeutung. Durch den Gottesdienst und den gemeinsamen Lobpreis Gottes finden Menschen u. a. innere Ruhe, Heilung des verwundeten Herzens und Frieden. Deshalb kommen sie auch regelmäßig ganz von selbst und ohne zusätzlichen Aufruf in die Kirche. Außerdem nutzen sie den Ort als Treffpunkt mit Freunden, tauschen sich aus und unterhalten sich.

Was ist das Wichtigste am Gottesdienst? In wie weit werden Gottesdienst und Glaube als Ort des Friedens und der Zuflucht erfahren?

An unserem Gottesdienst ist die ca. zweistündige Liturgie das Wichtigste. Hier wird das Evangelium verkündigt, neu geborene Kinder werden getauft, die Trauung durchgeführt und auch das Abendmahl dabei gefeiert. In der christlich-eritreischen Gemeinschaft ist das alltägliche Leben eng mit den Sakramenten verbunden.

Den Gottesdienstraum betritt man in der eritreischen Tradition ohne Schuhe und mit weißen Tüchern.   Was ist der Hintergrund dieser wichtigen Tradition?

Damit verehren wir die Heiligkeit Gottes. Das hat seinen Ursprung im 2. Buch  Mose, Kapitel  3,  Vers 5: „Da sprach Gott: Tritt nicht näher heran! Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliges Land!“

Jeden zweiten Sonntag werden junge Eltern mit ihren Kindern zum Gottes-dienst eingeladen und das Gemeindehaus ist voll mit fröhlichen Kindern. Warum sind der eritreischen Gemeinde die Kinder besonders wichtig, und was bedeuten Glaube und Lieder in Tigrinya 

für Kinder in der eritreischen Gemeinde?

Seit Juni 2021 haben wir den Gottes-dienst anders organisiert. An jedem zweiten Sonntag findet ein Gottesdienst hauptsächlich für Kinder statt. Neben dem kürzeren kindergerechten Gottes-dienst lernen die Kinder an diesen Sonntagen das Tigrinja Alphabet und Lieder auf Tigrinja. Das gemeinsame spielerische Lernen macht den Kindern Spaß und hilft, die Muttersprache nicht zu verlernen. Uns ist es wichtig, dass die Kinder durch das Lernen der Mutter-sprache und unserer Kultur ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln, ihre eigene Identität stärken und sich interkulturell öffnen.

Glaube soll in der eritreischen Gemeinde so gelebt werden, dass Kontinuität mit der Heimatkirche in Eritrea besteht, aber auch Erneuerung möglich ist im Blick auf die Herausforderungen in der Diasporasituation eines fremden Landes Deutschland. Was ist neu an der Art und Weise, wie Glaube in Deutschland gelebt wird? 

Das Streben und der Wunsch, dass Glaube im Exil genauso wie in Eritrea weitergelebt werden kann, sind groß. Jedoch zeigt uns die Realität, dass dies nicht durchsetzbar ist. Bei uns darf einerseits die Art und Weise der Durchführung der Sakramente in der Liturgie keineswegs geändert werden. Andere Dinge, wie z. B. die Gebetszeit u.a., aber können an die Situation der Gemeinde angepasst werden. Das versuchen wir bei uns zu realisieren. Außerdem haben wir den Gottesdienst für Erwachsene und Kinder getrennt an verschiedenen Sonntagen gemacht. An wichtigen kirchlichen Feiertagen wie Weihnachten und Ostern aber findet der Gottesdienst immer gemeinsam statt.

Im Namen unserer eritreischen Gemeinde möchte ich mich bei der evangelischen  Pauluskirchengemeinde Berlin-Zehlendorf für alle materielle und moralische Unterstützung, besonders in der harten Pandemiezeit bedanken. Sie sind immer an unserer Seite und motivieren uns, unsere Arbeit für unsere Community fortzusetzen und weiter zu entwickeln. Ehre und Lob sei Gott dem Herrn!