Sidonie Scharfe – Eine Zehlendorferin, die sich großzügig und wohltätig für soziales Leben einsetzte.


von Ulrike Müller-Hofstede

Der Name Sidonie Scharfe ist den meisten Lesern vielleicht nur durch die Straße bekannt, die nach ihr heißt. Zwei Häuser gehören dort zur Sidonie Scharfe- Stiftung. Ihr früheres Wohnhaus ist das heutige Standesamt, es trägt die Kürzel ihres Namens im Giebelornament. Sidonie Scharfe (1834-1909), eine gebürtige Zehlendorferin, erbte zusammen mit ihrer Schwester Marie Pasewaldt (1828-1903) das Lehnschulzengut in Zehlendorf. Es umfasste etwa die Hälfte des Zehlendorfer Grund und Boden. Die Bewirtschaftung der Güter hörte seit den 1880iger Jahren auf. Die ausgedehnten Ländereien erfuhren eine Umwandlung von Ackerland in Bauland, welches beträchtliches Kapitalvermögen erbrachte. Besitzverschiebungen waren nun durch Separation und Ablösung möglich geworden, durch die die Bauern ihren Grund und Boden als Privateigentum übertragen bekamen und die Möglichkeit erhielten, diesen zu teilen, zu verkaufen und zu bebauen. Sidonie Scharfe erlebte die Entwicklung Zehlendorfs vom Bauerndorf zum Berliner Vorort aus nächster Nähe und setzte einen Teil ihres Kapitalvermögens ein, um selbst organisierte karitative Aktivitäten auszuüben. Dazu gehört die seit über hundert Jahren bestehende, erwähnte Stiftung. Aber Sidonies Hilfsbereitschaft umfasste einen noch viel größeren Radius. Im Jahr 1891 gründete sie das Wilhelm-Friedrich-Stift in der Alsenstraße (heute Fischerhüttenstraße). Alten, „würdigen und bedürftigen Zehlendorfer Einwohnern“ sollten als Stiftsinsassen eine lebenslange Unterkunft in einem behaglichen Heim“ gewährt werden, mietfrei auf Lebenszeit. Sie stellte Grund und Boden zur Verfügung, damit zwischen 1903 und 1905 die neue evangelische Kirche (bis zur Namensgebung Pauluskirche vergehen allerdings nochmal sieben Jahre) mit dem Pfarrhaus errichtet werden konnte. Sidonie Scharfes karitatives Handeln umfasste auch die Sorge um die Kranken. Zusammen mit den berühmten Verlegern Mosse, Springer u.a. war sie Gründungsmitglied des Vereins „Haus Schönow“. Sidonie Scharfe blieb ihr Leben lang unverheiratet. „Tante Done“, so ihr Name bei den Kindern, ließ den ersten Kindergarten mit öffentlichem Brausebad einrichten, der täglich bis zu 50 Kinder mit Milch und Suppe versorgte.

Es sollte noch daran erinnert werden, dass um die Jahrhundertwende für alleinstehende ältere Frauen aller Schichten generell ein höheres Verarmungsrisiko bestand. Viele diakonische Einrichtungen für alte Menschen wurden deshalb für Frauen gegründet. Sidonie Scharfe kam aus der diakonischen Bewegung, ihre Spendentätigkeit für das Rauhe Haus in Hamburg ist bekannt. Für ihr neu zu gründendes Damenstift legte sie die Bedürftigkeit nicht eindeutig fest: es sollten „Lehrerwittwen, Beamtenwitwen und alte Mädchen aus besseren Ständen von 60 Jahren an, (dort) ihre letzten Jahre zubringen“ können. Und sie fügte selbstbewusst hinzu: „Das Stift soll meinen Namen tragen.“ Ausschlaggebendes Kriterium für ihren Stifterwillen war deshalb eher ein vereinsamendes Leben von außerhalb des Familienverbandes lebenden Frauen. Ihr Grab findet man auf dem Friedhof der kleinen Dorfkirche, gleich rechts am Weg zum Eingang.